Freitag, 16. September 2005, 11:16 Uhr

Festakt für Hundertjährige

Eigentlich soll man nicht vor dem eigentlichen Geburtstag feiern, aber bei einer Hundertjährigen kommt es auf den einen Monat auch nicht an. Zumal sich die „alte Dame“ nicht weigern kann, schließlich ist sie aus Stein.

„Es gibt viele Hundertjährige in Nordhausen“, begeistert sich Oberbürgermeisterin Barbara Rinke (SPD). Sie selbst gehöre zwar nicht dazu, aber sie gratuliere gerne der Nordhäuser Talsperre, die ihren hundertsten Geburtstag heute vorfeiern darf. Eigentlich wurde das Bauwerk erst am 13.10.1905 landespolizeilich abgenommen, worauf Geschäftsführer Ulrich Schardt hinwies. Aber der eine Monat sei bei dem Alter doch genauso egal, wie die Tatsache, daß der 13. Oktober damals ein Freitag gewesen sei.

Zahlreiche Grußworte, sogar von Kollegen aus der polnischen Partnerstadt, wurden zu Ehren der Hundertjährigen verlesen. Ein informativer Rückblick lud zu einer Zeitreise in die Wasserversorgung Nordhausens ein. Bereits 1546 unternahm Hans Laxner den ersten Versuch, die Stadt mit Trinkwasser zu versorgen. An der Altendorfer Kirchgasse entstand eine Oberkunst, die das Wasser aus dem Mühlgraben um 17 Meter anhob. Ein weiteres Wasserrad, die Unterkunst, sorgte ab 1548 für die Füllung des sogenannten „Schöppmännchens“, eines Hochbehälters auf dem Geiersberg. Viele historische Bauwerke der Wasserversorgung sind in Nordhausen erhalten geblieben. Ulrich Schardt kündigte an, diese in den nächsten Jahren zu sanieren und einen Wasserwanderweg zu gestalten.

Ab 1873 wurde immer mehr Wasser benötigt. Auch die hygienischen Anforderungen waren gestiegen. Der erste Hochbehälter wurde gebaut und ist heute noch in der Puschkin Straße in Betrieb. Das Jahr 1874 gilt als Geburtsstunde der kommunalen Wasserversorgung. Nordhausen kaufte die Aktien der Berliner Neptun AG zurück, die zwei Jahre für die Wasserversorgung der Stadt zuständig war, aber nicht die nötige Versorgungssicherheit gewährleisten konnte.

Die fortlaufende Industrialisierung, das Entstehen neuer Betriebe, der gestiegene Wasserbedarf der Dampfloks und die wachsende Einwohnerzahl machten es erforderlich, die Wasserversorgung weiter zu verbessern und auszubauen. Am 17. März 1902 war es dann so weit, 28 Stadtverordnete stimmten dem Bau der Nordhäuser Talsperre zu, sechs waren dagegen. 1904 begannen die Bauarbeiten. Der Fertigstellungstermin am 1. Dezember konnte nicht eingehalten werden, da Arbeitskräfte fehlten und der Winter sehr früh einbrach. Das sei also nicht anders gewesen als heute, sagte Ulrich Schardt.

Ende März 1905 konnten die Arbeiten wieder aufgenommen werden. Das Frühjahrshochwasser hatte für ein erneutes Wachstum der Vegetation gesorgt. Doch nichts kann man in einer Trinkwassertalsperre weniger gebrauchen, also mußte mühevoll alles Grünzeug entfernt werden. Der Geschäftsführer des Wasserverbandes zeigte auf alten Fotos die Baufortschritte und wies besonders darauf hin, mit welch geringer Technik diese große bauliche Leistung vollbracht wurde. Kräne kamen damals noch nicht zum Einsatz.

Ganz genau haben die Vorfahren für die Nachwelt festgehalten, wie es mit der Talsperre voran ging. Auf die Minute steht fest, daß am 13.10.1905 um 13.43 Uhr mit dem Anstau begonnen wurde. Schon nach drei Tagen war die Sperre zu einem Fünftel voll, dank anhaltender Niederschläge. 1,4 Millionen Goldmark investierte man damals.

Für die Sanierung in den Jahren 1997 bis 2001 mußte eine größere Summe in die Hand genommen werden. 15 Millionen Euro investierte die Talsperrenverwaltung Thüringen, jetzt zur Thüringer Fernwasserversorgung fusioniert, in die „hundertjährige Dame“, wie Geschäftsführer Jens Peters die Nordhäuser Talsperre nennt. Ein Bild der neuen alten Dame überreichte er Oberbürgermeisterin Barbara Rinke. Für Ulrich Schardt hatte er ein anderes Präsent, eine „biologische Filteranlage“. Mit dem Bild eines Wasserflohs erinnerte er den Wasserverband-Geschäftsführer an das aktuelle Bauvorhaben, die neue Wasseraufbereitungsanlage. Sie soll 2007 fertig sein und rund 6,5 Millionen Euro kosten. Dann sollen noch 400 km Leitungen saniert werden. Damit wäre die Nordhäuser Wasserversorgung zukunftssicher, wie Ulrich Schardt betonte.

Quelle: nnz-online.de
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