Mittwoch, 31. August 2005, 11:19 Uhr

Verkehrte Welt im neuen Wasserwerk

Sieben Monate nach dem 1. Spatenstich ist eine wichtige Etappe des Wasserwerk-Neubaus abgeschlossen: Ein neues Schieberhaus mit Ausgleichsbehältern erhebt sich seit einigen Tagen auf dem Gelände des Wasserverbandes Nordhausen (WVN) in der Puschkin-Straße.

Turbine und Generator – neben anderen Stell- und Messeinrichtungen im Schieberhaus untergebracht – werden künftig aus dem Talsperrenwasser einen Großteil des Stroms für den Betrieb des Wasserwerks erzeugen. Das Wasser aus der Talsperre oben im Harz steht in der tiefer liegenden Puschkinstraße mit einem Druck von 12 bis 14 bar an - dies entspricht immerhin einer 120 bis 140 Meter hohen Wassersäule. Die beiden Ausgleichsbehälter mit insgesamt 120-Kubikmeter Inhalt dienen als Puffer zwischen zufließendem Talsperrenwasser und der Aufbereitungsanlage.

„Eigentlich ist die Turbine gar keine Turbine, und der Generator ist auch kein Generator! Um die Investitionskosten niedrig zu halten, ist – statt einer aufwändigen Turbine – eine rückwärts laufende Pumpe und statt des Generators ein Drehstrommotor installiert“, erklärt Ulrich Schardt, Geschäftsführer des WVN. „Damit können wir die Anlage flexibler und variabler betreiben – und haben sogar noch viel Platz und Geld gespart!“

Nicht nur das Areal um das Schieberhaus herum, nein, fast das gesamte Wasserwerksgelände ist im Prinzip eine Mondlandschaft – alles ist aufgegraben. So müsse unter anderem die alte Talsperrenleitung – Baujahr 1905 – auf dem Wasserwerksgelände durch neue Rohre ersetzt werden. „Die haben zwar 100 Jahre lang bis heute zuverlässig ihren Dienst getan, doch mit den Bauarbeiten werden sie stark beansprucht, liegen teilweise im Wege und werden deshalb gleich mit ausgetauscht“, erklärte der Geschäftsführer.

Die Neu-Verlegung sei technisch anspruchvoll, da die Leitungen unter anderem durch das alte – und zu erhaltenden – Turbinenhaus zum neuen Gebäude geführt werden müssten. Parallel zur neuen Leitung würden neue Mess-, Stell- und Regelschächte eingebaut. „Die dort ermittelten Daten sind künftig über das Leitsystem jederzeit digital kontrollier- und abrufbar.“

Wenn diese Arbeiten abgeschlossen seien, werde man im nächsten Schritt das Herzstück des neuen Wasserwerks – den Bau der neuen Filteranlagen – in Angriff nehmen. „Damit wird die Ultra-Filtration möglich, die nötig ist, um die strengeren gesetzlichen Vorschriften für die Trinkwasserqualität erfüllen zu können. Sie gelten seit 2003.“ Diese neuen Filter müsse man sich in ihrem Aufbau wie tausende unten geschlossene Makkaroni-Röhren vorstellen, durch deren membrane Seitenwände das Wasser gezogen und dabei gereinigt werde. „Mit den neuen Filtern können sogar Partikel aus dem Wasser entfernt werden, die tausendmal kleiner sind, als jene, die wir aktuell zurückhalten können“, so Schardt. „Und dort sind wir jetzt schon im Größenbereich von tausendstel Millimetern.“

Mit dem Neubau der Filteranlage werde die historische und riemenbetriebene Filteranlage außer Betrieb genommen, bleibe aber als Museum weiter bestehen. „Was unsere Vorfahren damals an Aufbereitungstechnik geschaffen haben, ist beeindruckend – und deshalb sehens- und erhaltenswert“, so Schardt.

„Trotz des Neubaus ist die gesamte bisherige Wasserversorgung für 50.0000 Einwohner aufrecht zu erhalten. Und das 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr – das ist die größte Herausforderung bei diesem Projekt.“ Doch auch angesichts dieses hohen Anspruchs werde es keine Verzögerungen geben: „Das neue Wasserwerk geht planmäßig geht 2007 an Netz“, so Schardt.

Aktuell fließen pro Tag rund 8 Millionen Liter durch das Wasserwerk in Nordhausen – je zur Hälfte aus zwei Grundwasser-Gewinnungsanlagen und der Talsperre. Ullrich Schardt hat es umgerechnet: „Das sind – in 0,7er Nordhäuser-Doppelkorn-Flaschen abgefüllt – mehr als 11 Millionen Stück.“

Die Gesamtkosten für den Bau des neuen Wasserwerkes belaufen sich auf rund 6 Millionen Euro. Der Freistaat Thüringen hat ungefähr 3 Millionen Euro als Fördermittel bereitgestellt.
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