Mittwoch, 12. Januar 2005, 11:54 Uhr

Künftig ein Museum

Rund 24 Stunden braucht ein Wassertropfen von der Nordhäuser Talsperre bis zu den Wasserhähnen in der Rolandstadt. Einen längeren Aufenthalt legt er – nach rund 10,5 Kilometern Leitungslänge – in der Nordhäuser Puschkinstraße ein: dem Wasserwerk, dessen letzte Stunden geschlagen haben.

Unmittelbar neben der alten Filterhalle beginnt am 25. Januar um 15 Uhr mit dem 1.Spatenstich die größte Einzel-Investitionen des Nordhäuser Wasserbandes seit seiner Gründung im Jahr 1993: Für rund 6 Millionen Euro entsteht ein neues Wasserwerk, das 2007 in Betrieb gehen soll.

Dessen Membran-Filter können Dank einer moderneren Technologie das Wasser besser reinigen, und mit dem Einbau einer Turbine knüpft der Wasserverband an eine Tradition an, die genau vor 100 Jahren ihren Anfang genommen hatte: Mit der Kraft des Talsperrenwassers erzeugt es einen Großteil des benötigten Stromes selbst.

„Grund für den Neubau ist neben des hohen Alters der bisherigen Aufbereitungs-Anlage in erster Linie die neue Trinkwasserwasserverordnung, die deutlich höhere Maßstäbe für die Aufbereitung des Oberflächenwassers setzt – an das Wasser aus der Talsperre“, erklärt Wasserverbands-Geschäftsführer Ullrich Schardt. Im Gegensatz zur bisherigen Technologie – drei große Becken gefüllt mit feinem Filter-Sand, durch die das Wasser strömt, dabei gereinigt und dann mit Grundwasser aus den Brunnen in Krimderode und Bielen vermischt wird – arbeitet das neue Werk mit der Ultra-Filtration: „Mit ihr können sogar Partikel aus dem Wasser entfernt werden, die tausendmal kleiner sind, als jene, die wir aktuell zurückhalten können“, so Schardt. „Und dort sind wir jetzt schon im Größenbereich von tausendstel Millimetern.“

Möglich sei dies durch Membran-Filter. „Diese muss man sich wie tausende überlange Makkaroni vorstellen, die unten geschlossen sind und deren Wände Membrane sind. Diese flexiblen Röhren werden ins Wasser gehangen; durch einen Unterdruck wird das Wasser durch sie hindurch und nach oben gezogen. Das so gereinigte wird danach – wie bisher auch – mit Grundwasser gemischt, da das Talsperren-Wasser allein für die Versorgung nicht ausreicht. „Anschließend läuft das Wasser über einen Calcit-Filter, damit wird u.a. der ph-Wert eingestellt.“

Diesen Aufwand betreibe man allein wegen des Talsperren-Wassers „das zwar weicher ist, aber aufgrund der offen Wasserfläche nicht unmittelbar – wie das Grundwasser – zur Versorgung genutzt werden kann.“

Insgesamt müsse das aufbereitete Trinkwasser bei mehr als 100 Inhaltsstoffen den Vorschriften der Trinkwasserverordnung genügen – dem immerhin strengsten Lebensmittelgesetz der Welt.

Bevor das Wasser allerdings in die Aufbereitung kommt, nutzt man seinen Druck aus, den es auf dem Weg von der 450 hoch gelegenen Talsperre im Harz bis zum 200 Meter tiefer liegenden Wasserwerk mitbringt. Schardt: „Das Wasser treibt eine 80-Kilowatt-Turbine an.“ Eine ähnliche Turbine habe es schon einmal gegeben: „Die damalige Siemens-Turbine war ab 1905 jahrzehntelang im Betrieb – bis sie zu DDR-Zeiten leider für die Erfüllung des Schrottplanes draufging.“ Die Steuerung der Turbine liefe – wie auch sämtliche anderen Prozesse im neuen Werk – vollautomatisch. Sollten irgendwelche technische Probleme auftreten, werde der Bereitschaftsdienst per Funk alarmiert – das erledige u.a. der Computer.

Aktuell fließen pro Tag rund 10 Millionen Liter durch das Wasserwerk in Nordhausen – je zur Hälfte aus den beiden Grundwasserbrunnen und der Talsperre. Ullrich Schardt hat es umgerechnet: „Das sind – in 0,7er Nordhäuser-Doppelkorn-Flaschen abgefüllt – mehr als 14 Millionen Stück.“

50.000 Menschen werden mit dem Wasser aus der Anlage in der Puschkin-Straße versorgt, das sind rund 60 Prozent des Versorgungsgebietes des Wasserverbandes. Dazu gehören neben der Stadt Nordhausen alle Ortsteile – außer Herreden, Hochstedt, Hörningen und Bielen sowie Neustadt, Buchholz, Herrmannsacker, Rodishain, Stempeda und einige Orte entlang der Hainleite.

Der Bau des Wasserwerkes wird mit ca. 3,5 Millionen Euro Fördermitteln vom Freistaat Thüringen unterstützt, die restlichen Mittel bringt der Wasserverband selbst auf – durch Eigenmittel und Kredite.

Die relativ lange Bauzeit erklärt sich mit der Versorgungssicherheit: „Das alte Werk muss trotz Neubau im Betrieb bleiben – die Leute müssen ja weiterhin ihr Wasser bekommen.“ Begonnen werde mit dem Bau des Ausgleichsbehälters, in dem auch die Turbine integriert sei, dann folge der neue Calcit-Filter und anschließend die Filterhalle. Aus Kostengründen würden dabei vorhandene Behälter genutzt. Gebaut werde das Wasserwerk von einer Nordhäuser bzw. einer Arnstädter Firma sowie einer Firma aus dem Harz.


Quelle: nnz-online.de
zum Überblick