Donnerstag, 22. März 2001, 12:40 Uhr

Nachlese zum Tag des Wassers


Nordhausens Wasserversorgung braucht kein Verbraucherschutzministerium

Während man allenthalben Horrormeldungen über BSE, Maul- und Klauenseuche, illegale Verwendnung von Antibiotika bei der Schweinemast hört und liest, wurde zielstrebig und sachlich die an sich schon schärfste Lebensmittelverordnung der Welt, die Trinkwasserverordnung der Bundesrepublik Deutschland, novelliert. Die neue Trinkwasserverordnung wird
- die Pflichten der Versorger,
- die mikrobiologischen und chemischen Anforderungen,
- die Untersuchungsverfahren und

Untersuchungsstellen sowie den Umfang der Überwachung

noch einmal konkretisieren und verschärfen.

Der Wasserverband Nordhausen ist aber schon durch die bisherige Trinkwasserverordnung bezüglich Fremdüberwachung und Eigenkontrollen verpflichtet, jährlich ca. 1.000 Trinkwasserproben zu nehmen und analysieren zu lassen. Dafür müssen jährlich ca. 250.000,00 DM ausgegeben werden.

In einer Vollanalyse nach Trinkwasserverordnung sind wenigstens 50 Inhaltsstoffe und Parameter zu prüfen. Die Einhaltung der Grenzwerte der Trinkwasserverordnung garantiert, dass das Trinkwasser ohne Bedenken und unabgekocht, so wie es aus dem Wasserhahn kommt, getrunken werden kann und das ein Leben lang. Zwei Beispiele sollen verdeutlichen, welch hohe Ansprüche an die Grenzwerte der Trinkwasserverordnung gestellt werden.

Für chlorierte Kohlenwasserstoffe, wie z.B. Tetra und Tri, gilt der Grenzwert von 10 Mikrogramm je Liter. 10 Mikrogramm bedeutet, es dürfen in einem Liter 10-Millionstel Gramm Chlorierte Kohlenwasserstoffe vorhanden sein. Den Anteil dieses 10-Millionstel Gramm Schadstoff im Liter Wasser kann man sich in etwa so vorstellen:
- Man hat einen Güterzug, der 1,1 Millionen km lang ist. Dieser Güterzug würde 25mal um die Erde herumreichen und hätte rund 100.000.000 Güterwagen. In nur einem dieser 100.000.000 Güterwagen dürfte Chlorierte Kohlenwasserstoffe enthalten sein.
- Bei Schädlingsbekämpfungsmittel ist der Grenzwert 0,5 Mikrogramm je Liter. Hier würde ein Güterzug 500mal um die Erde reichen und hier dürften nur in einem Waggon Schädlingsbekämpfungsmittel sein.

Mit diesem Vergleich wird auch demonstriert, dass auf Grund der hohen Anforderungen an unser Trinkwasser der Verbraucherschutz für Trinkwasserversorger eine Selbstverständlichkeit und eine Pflicht sind.

Wasserversorgung ist aber nicht nur Verbraucherschutz, Wasserversorgung ist auch Umwelt- und Naturschutz. Der Wasserverband Nordhausen schützt seine Trinkwasservorkommen seit Jahren wirkungsvoll durch insgesamt 25 Schutzzonen mit einer Gesamtfläche von ca. 8.500 Hektar, zusätzlich sind weite Teile des Harzes erfasst (Wasserschutzgebiete).

Die Trinkwasserschutzzonen befinden sich im Allgemeinen in Gebieten, die kaum oder gar nicht besiedelt sind und vorrangig landwirtschaftlich genutzt werden. Auf diesen Flächen ist die intensive Landwirtschaft eingeschränkt, da dort nicht wie üblich Düngemittel und Pestizide in den gewohnten Mengen aufgebracht werden dürfen. Der Wasserverband ist verpflichtet, an diese landwirtschaftlichen Betriebe Entschädigungsleistungen in Höhe von ca. 100.000,- DM zu zahlen. Auf Grund der guten Wasserqualität in diesen Gebieten und der sehr naturnahen, unbelasteten Umweltbedingungen ist die Tier- und Pflanzenwelt im Allgemeinen in Trinkwasserschutzzonen vielfältiger und zahlreicher anzutreffen. Wasserversorgung ist somit ein positiver Beitrag für Natur- und Umweltschutz, kostet aber auch Geld.

Neben den umweltrelevanten Aspekten sind die sozialen Aspekte für uns heute so selbstverständlich, dass sich kaum einer von uns noch darüber Gedanken macht.

Für uns ist es eben normal, dass wir 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr den Wasserhahn aufdrehen und soviel Trinkwasser in guter Qualität entnehmen können, wie wir eben gerade brauchen. Leider ist dies auf unserem blauen Planeten nicht die Regel, sondern die Ausnahme. Jährlich sterben viele Millionen Menschen vor allem in der Dritten Welt an den Folgen unsauberen Trinkwassers. In vielen Ländern ist die hohe Säuglingssterblichkeit besonders darauf zurückzuführen, dass für Säuglinge und Kleinkinder nicht genügend sauberes Trinkwasser zur Verfügung steht.

Durch den Aufbau einer geordneten leistungsfähigen öffentlichen Wasserversorgung konnten Seuchen, Krankheiten und Todesfälle in den meisten deutschen Städten auf ein Minimum reduziert werden. In Nordhausen gab es auf Grund einer vorhandenen öffentlichen Wasserversorgung z.B. schon 1927 keinen Todesfall durch Typhus mehr.

Eine weitere Stärke der öffentlichen Wasserversorgung ist seine Nachhaltigkeit. 1874 ist das Geburtsjahr unserer Nordhäuser Kommunalen Wasserversorgung. Aus diesem Jahr stammt auch der erste Hochbehälter in der Alexander-Puschkin-Straße, der noch heute wie vor 126 Jahren seinen Dienst leistet. Auch die Nordhäuser Talsperre wurde von den Altvordern mit dem Bewusstsein gebaut, dass noch Enkel und Urenkel daraus Nutzen ziehen können. Das 1931 in Betrieb genommene Wasserwerk in der Alexander-Puschkin-Str. ist bis zum heutigen Tag funktionsfähig. An uns ist es jetzt, in den nächsten zwei Jahren ein Wasserwerk auf den Weg zu bringen, dass mindestens für die nächsten ein bis zwei Generationen den Ansprüchen an die Qualität des Trinkwassers gerecht wird.

Wasserversorgungsanlagen von den Altvordern übernehmen, das kann jedoch nicht nur Segen, es kann auch Fluch sein. Die Hälfte unserer 800 km langen Rohrleitungen sind älter als 50 Jahre und müssten eigentlich schon lange ausgewechselt werden. In der Mangelwirtschaft der DDR konnten die erforderlichen Sanierungsarbeiten am überalterten Netz leider nicht durchgeführt werden, es fehlte einfach am notwendigen Material. So stehen wir heute vor dem Problem, dass wir einerseits sicher versorgen müssen, andererseits aber mit unserem hoffnungslos maroden Leitungsnetz einen Investitionsbedarf haben, der in den nächsten 10 Jahren ca. 50 Mio. DM erfordert. Dies wird realisierbar sein, denn wir haben auch in den vergangenen 10 Jahren schon 50 Mio. DM investiert. Nachhaltigkeit für uns bedeutet, dass wir das, was wir von unseren Vätern und Großvätern übernommen haben, nutzen, sinnvoll erneuern und erweitern und an unsere Kinder und Kindeskinder weitergeben.

Selbstverständlich macht sich der Wasserverband auch über die finanzielle Belastung durch die 24-Stunden-Dienstleistung „Wasserversorgung“ Gedanken.

In Nordhausen werden auf einem Grundstück mit einem Einfamilienhaus, in dem 4 Personen leben, durchschnittlich
- 112 Kubikmeter Wasser gebraucht,
- 21.000 kWh Gas verbraucht, wenn die Heizung mit Gas betrieben wird, und
- 3.500 kWh Strom verbraucht.

Dafür sind jährlich zu zahlen:
- für Wasser ca. 520,- DM
- für Gas 2.000,- DM,
- für Strom 1.000,- DM und
- für Abwasser 500,- DM.

Die tägliche finanzielle Belastung einer Person beträgt, damit
- 36 Pfennige für Wasser,
- 137 Pfennige für Gas und
- 68 Pfennige für Strom.

Für die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung insgesamt, müssen in Nordhausen jährlich etwa genau soviel wie für die Stromversorgung, aber nur halb soviel wie für die Gasversorgung gezahlt werden. Wasserversorgung ist mit 36 Pfennigen pro Tag und Person eine durchaus erträgliche Angelegenheit. Im Vergleich mit 35 anderen thüringer Städten gibt es nur zwei Städte, in denen die Wasserversorgung billiger ist als in Nordhausen. Das sind die Städte Mühlhausen und Worbis.

Die öffentliche Wasserversorgung ist alles andere als eine stupide Sache. Sie ist vielfältig und spannend und vor allem so ehrenhaft, wie es eine Arbeit für ca. 90.000 Einwohner in unserem Kreis nur sein kann. Und sie ist trotz der hohen Ansprüche an Verbraucherschutz, Qualität, Natur- und Umweltschutz und Nachhaltigkeit, obwohl nicht einmal 10 % aller Investitionen der vergangenen 10 Jahre durch das Land Thüringen gefördert wurden, trotzdem noch preiswert. Der Wasserverband Nordhausen hat eine Größe und eine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die ihn mit Sicherheit in die Lage versetzt, den Herausforderungen der nächsten Jahre gerecht zu werden. Gleichzeitig fühlt sind der Wasserverband, wie alle Unternehmen der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung verpflichtet, neue Wege zu beschreiten, Kooperationen zu nutzen, um noch leistungsfähiger und kompetenter im Sinne der Kunden zu arbeiten und als Dienstleister auch weiterhin eine preiswerte 24-Stunden-Dienstleistung anzubieten durch Menschen unserer Region für Menschen unserer Region.
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